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Ein neuer Verein für Freizeitgestaltung in Rio de Janeiro

 

Bevor Brasilien unabhängig wurde, lag der Kern der Stadt Rio de Janeiro zwischen dem Meer und den Hügeln Santo Antonio, Castelo, São Bento und Conceição, deren öffentliche Plätze vor allem von Sklaven und Geschäftsleuten genutzt wurden. Am wichtigesten Hafen Brasiliens wurden Handelsgüter, Personen, Devisen ein- und ausgeführt. Aber es mangelte in der Stadt an Orten der Begegnung für den Austausch von Ideen und Informationen. Formelle soziale Beziehungen wurden in Rio de Janeiro bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts im allgemeinen nur im privaten Bereich gepflegt, während der Begriff eines Vereins mit Bruderschaften und Geschäftsverbänden gleich stand. Die Gründung der Sociedade Germania am 21. August 1821 eröffnete der städtischen Szenerie von Rio de Janeiro und vielleicht ganz Brasiliens eine ganz neue Form von Vereinigung.

 

Eine Gruppe von Männern, vor allem ledige Händler verschiedener Herkunft - rheinländischer, preußischer, österreichischer, holländischer, belgischer, schweizerischer und dänischer - besuchte regelmäßig ein Lokal in der Rua dos Ourives 109 (heute Rua Miguel Couto), das einem Deutschen gehörte. Im Zum Wülffing - dessen Eigentümer sogar einige Male für Kaiserin Leopoldine kochen durfte – wurde gegessen und es wurden auch Informationen ausgetauscht. Aus der Notwendigkeit eines Gemeinschaftsraumes entsteht die Sociedade Germania. In der Rua dos Ourives wird der erste Sitz eingerichtet, es werden Verhaltensregeln vereinbart. Dort kann man auch Zeitungen und Bücher lesen. Das Gesellschaftsinventar, u.a. Möbel und Drucksachen, sowie Dienstleistungen wie Beleuchtung, Reinigung und Erhaltung wurden von den Mitgliedern gemäß den Vorschriften der ersten Statuten selbst besorgt.

 

Zur Zeit der Gründung der Sociedade Germania existierten weder Brasilien noch Deutschland als moderne unabhängige politische Einheiten. Brasilien erklärte im folgenden Jahr (1822) seine Unabhängigkeit von Portugal und Deutschland wurde erst 1871 zu einem einheitlichen Nationalstaat. Der anfänglich vereinigende Faktor der Mitglieder waren die gemeinsamen Interessen im Bereich des Handels sowie Deutsch als die Sprache, die innerhalb der Gruppe gesprochen wurde und später zu einem der Merkmale im weiteren Sinn wurde.

 

Die Sociedade Germania besaß eine Bibliothek mit einem Bestand an Büchern in verschiedenen Sprachen, die von der Vielschichtigkeit ihrer Besucher zeugte. Mit Ausnahme der Buchhandlungen und der Königlichen Bücherei (Biblioteca Real), welche lange nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war, waren die vorhandenen Bibliotheken in Rio de Janeiro vor allem kirchlicher oder privater Natur, mit beschränktem Zugang.

 

Am Folgetag der Erlassung der brasilianischen Verfassung von 1824 verlegte die Sociedade Germania ihre Sitz vom Wülffingshaus in eine neue Adresse in der Rua Direita 81. Auf Grund des schlechten Erhaltungszustandes zog sie im Jahr 1841 neuerlich um, diesmal in ein Mietshaus in der Rua Fresca 130. Diese Straße befand sich am Rand des Paço Imperial (heute Praça XV) und der Name („Frische Straße“) kommt daher, dass sie an der Küste lag, dort, wo früher der Strand D. Manoel war. Da das Haus vollständig unmöbliert war, mussten die Mitglieder sich zusammentun, um neue Objekte, vor allem Möbel, zu erwerben, was unter allgemeiner Zustimmung geschah.

 

Der Standort in der Rua Fresca, der von Mitgliedern und anderen Gästen gut besucht war, bot Billard-Tische, Frühstück, Zeitungen und eine ansehnliche Bibliothek. Im Jahr 1862 erhielt die Sociedade Germania von Kaiser D. Pedro II die Erlaubnis, als Kulturverein geführt zu werden. Um 1873 verlegte die Gesellschaft ihren Sitz an eine andere Adresse im Stadtzentrum an einen gemieteten Standort in der Rua da Alfândega 77. Dort fand anlässlich des Todes des deutschen Kaisers Wilhelm I eine symbolische Trauerfeier zu seinem Gedenken für die deutsche Gemeinde von Rio de Janeiro statt.

 

 

 

                                                                                                                                                                                                            VOLTAR

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